Initiative Haubrich-Forum too late Das Loch European Kunsthalle

Erklärung gegen den Abriss des Josef-Haubrich-Forums

13.09.2002. Erklärung mit Statements und Argumenten für den Erhalt der Kunsthalle. Auf der Grundlage des Textes von Wilfried Dickhoff und Lilian Haberer vom 30.07.2002.

Initiative Josef Haubrich-Forum

1. Wir sind für den Erhalt des Josef Haubrich-Forums in Köln, und zwar aus denkmalpflegerischen, architektur- und kunsthistorischen, kulturgeschichtlichen, ökonomischen und urbanen Gründen, da es ein

Das Josef-Haubrich-Forum in Köln definiert einen Ort, an dem die Vision eines offenen Forums, dass im urbanen Kontext seine demokratische Funktion erfüllt, über Jahrzehnte erfolgreich erprobt worden ist und nun wieder belebt werden könnte. Es gibt in der ganzen Innenstadt keinen vergleichbaren Platz, der im Dienste des kulturellen Dialogs und Austauschs ähnlich wirksam gewesen ist. Trotzdem fordern (kultur-)politische Kräfte nun seinen Abriss, um einem in seiner architektonischen Qualität höchst zweifelhaften Neubau und Museumskomplex Platz zu machen. Diesen Abriss halten wir für einen fatalen städtebaulichen Fehler, der als solcher in die Stadtgeschichte Kölns eingehen würde. Denn ein Abriss wäre eine Vernichtung kultureller Ressourcen, die den notwendigen Maßgaben einer verantwortlichen Stadtplanung der Zukunft diametral zuwiderliefe. Zeichnet diese sich doch - und darüber herrscht zumindest verbal weitgehend Konsens - unter anderem dadurch aus, dass sie den behutsamen Umgang mit Ressourcen in ihre Planungen einbezieht, unter gleichwertiger Berücksichtigung von Denkmalschutz, Naturschutz und Kulturschutz. Denkmalpflege ist Teil einer zukunftsorientierten Stadtbaukultur, "weil Denkmäler Baukultur sind", wie der Landeskonservator der Rheinlande Udo Mainzer in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung kürzlich sagte (SZ, 25.7.02).

Wenn Herr Vesper daher sagt: "Denkmäler sind Denkmarken der Baukultur" (Rede vom 9.11.2001 im Düsseldorfer Ständehaus), dann können wir ihm nur zustimmen. Aber was für das ehemalige Regierungsviertel in Bonn und für die Mercatorhalle in Duisburg gilt, gilt auch für die Kölner Kunsthalle. Die Josef Haubrich-Kunsthalle könnte eine Denkmarke innerhalb eines baukulturellen "Leuchtturmprojekts" (Vesper, ebd.) mit internationaler Ausstrahlung sein. Der Meinung sind nicht nur wir, sondern - hinter vorgehaltener Hand - selbst die Vertreter der Stadt Köln, die den Abriss "öffentlich" befürworten.

Museumspolitik kann nicht einfach Neubaupolitik auf Kosten des öffentlichen Raums und der kulturellen Ressourcen einer Stadt sein, in der nur noch die Kunst in der ersten internationalen Liga spielt. Wir werden nicht tatenlos zusehen, dass sich in Köln einmal mehr bewahrheitet, was Herr Mainzer richtig feststellt: "Die renditeorientierte Maxime, abzureißen und neu zu bauen bis zur Abschreibung, erzielt nichts anderes als Zwischenlager für Sondermüll." (ebd.)

Es geht einmal mehr um das Verhältnis von Architektur und Urbanität. Und das ist eine Frage, an der sich die Zukunft von Stadtkultur entscheiden wird. Das Kölner Josef Haubrich-Forum wäre die Gelegenheit für die Stadt Köln, ein Exempel für eine zukunftsorientierte Öffnung der Denkmalpflege zu statuieren. Stattdessen verkriecht man sich hinter vorgeschobenen Formalia, um ein Gesicht zu wahren, das man (politisch) in Köln zur Zeit eh nicht (mehr) hat, sondern nur neu gewinnen könnte.

"Wer nicht an die Zukunftsfähigkeit von Denkmalpflege glaubt, flüchtet sich gerne in billige Modernismen und verträumte Historismen", sagt Udo Mainzer (ebd.), und wir stimmen ihm zu. Und während in Berlin offensichtlich "verträumte Historismen" die Diskussion um das Hohenzollern-Schloss bestimmen, setzt man in Köln im Zusammenhang mit dem Abriss der Kunsthalle offensichtlich auf "billige Modernismen". Und leider sieht der Entwurf für das neue "Kulturzentrum am Neumarkt" auch genau so aus.

 

2. Wir sind für den sinnvollen Entwurf eines Museumskomplexes am Neumarkt unter Integration der bestehenden Kunsthalle und des Kunstvereins und unter Einbezug neu zu schaffender adäquater Räume für das Rautenstrauch-Joest Museum.

Der zur Zeit geplante Neubau wird den notwendigen Anforderungen an eine Baukultur im Horizont europäischer Stadtkultur nicht gerecht. Vor allem der Aspekt des öffentlichen Raums ist, falls überhaupt, nicht ausreichend bedacht worden. Angesichts der Tendenz, dass immer mehr öffentliche Räume in Privatbesitz überführt werden und Stadtkultur sich zunehmend auf Shopping-Center und städtebauliche Effekte der Erlebnisindustrie reduziert, ist die Erhaltung und Schaffung öffentlicher Räume im Namen auch der sozialen Aspekte von Urbanität ein notwendiges Kriterium für eine Stadt-Baukultur, die diesen Namen auch verdient.

"Unsere Städte sind weitgehend fertiggebaut. Aber viele dieser Städte sind noch nicht urbanisiert. Die Summe von Häusern bildet noch keine Stadt." Diese Äußerung aus Minister Vespers Rede berührt den Kern eines Problems, das in Köln entweder immer noch nicht erkannt wurde oder immer wieder im kölschen Entscheidungsnebel versickert. Was dieser der Stadt Köln seit Jahrzehnten an städtebaulichen "Glanzleistungen" beschert, ist einfach unerträglich. Das baukulturelle Elend dieser Stadt versucht man immer wieder im Nachhinein als toleranten Charme zu verkaufen. Aber das kauft der Stadt Köln kaum noch einer mehr ab. Es reicht. Für die Vernachlässigung des öffentlichen Raums, die Abwesenheit architektonischer Qualität von Neubauten und die Ignoranz gegenüber den wenigen historisch hochinteressanten Bauten dieser Stadt gibt es keine Entschuldigungen mehr.

Angesichts des wachsenden Elends der öffentlichen Räume, bestehend aus "überdimensionierten Straßenräumen, vernachlässigten Parks und undefinierten Restflächen" (Vesper, ebd.), geht es darum, neue urbane Plätze zu schaffen. Der Museumskomplex am Neumarkt wäre hierzu eine ausgezeichnete Gelegenheit. Der derzeitige Entwurf verspielt diese Chance aber bereits im Ansatz, da er keinerlei urbane Perspektiven umfaßt.

Stattdessen macht das geplante "Kulturzentrum am Neumarkt" den Eindruck eines Shopping-Centers für Kultur mit multifunktionaler Nutzung. Es erscheint als Anbiederung an eine vordergründig kommerzielle Eventkultur. Der Bau manifestiert eine äußerst fragwürdige Trennung von Kunst im Innenraum und städtebaulichem Außenraum, ohne Grün, ohne offene Räume, ohne direkte Anbindung an den angrenzenden Außenraum. Für Künstler wird diese Situation nicht besonders interessant sein, denn künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten werden hier sehr eingeschränkt. Vergessen wir nicht, dass die besondere Qualität der Ausstellungen des Kölnischen Kunstvereins mit der Transparenz des Raumes verbunden ist. Dies war eben nicht nur kunstimmanent ein wichtiger Aspekt für den Erfolg so vieler Ausstellungen, sondern auch auf den öffentlichen Raum hin. Für vorbeifahrende oder -gehende Menschen war der KKV offen. Seine Transparenz machte neugierig. Da die jüngeren Künstlergenerationen verstärkt mit einer sozialen Anbindung arbeiten, ist das auch für die Kunsthalle ein wichtiges Kriterium. Die Josef Haubrich-Kunsthalle bietet diese Möglichkeiten - der geplante Neubau nicht. Für zeitgenössische Künstler schafft der hermetische Kulturklotz keine adäquaten Entfaltungsmöglichkeiten, weil er die Möglichkeiten der Kunst im Hinblick auf eine urbane Entfaltung nicht eröffnet, sondern eher verschließt.

 

3. Wir sind der Überzeugung, dass auch und gerade "Kunst" zur Schaffung öffentlicher Räume einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten kann.

Die öffentliche Sphäre ist nicht etwas, das als Baumaßnahme realisierbar wäre. Sie zeichnet sich wesentlich dadurch aus, dass sie keine durchdefinierte Fläche ist. Öffentlicher Raum ist nicht-identisch, ein Raum, an dem Differenzen zugelassen sind und raumgreifen können. Der öffentliche demokratische Raum ist offen, widersprüchlich, weder vollkommener Kontrolle noch perfekter Inszenierung unterworfen.

Ein großer Strang der internationalen Gegenwartskunst setzt sich seit Jahrzehnten mit der Frage der Erschließung öffentlicher Räume auseinander. Neue urbane Möglichkeiten von Kunst im öffentlichen Raum entscheiden sich daran, ob sich Kunst als Vermittlung zwischen Architektur und Urbanität derart einbringen kann, dass sie öffentliche Plätze nicht einfach skulptural besetzt, sondern dazu beiträgt, öffentliche Räume überhaupt erst zu ermöglichen. Kunst kann das, indem sie andere, nicht identische Orte und unverhoffte Zwischenräume eröffnet und Menschen dazu anregt, andere Möglichkeiten von Begegnung zu ergreifen und öffentliche Räume dadurch allererst zu schaffen. Hervorragende Ergebnisse solcher künstlerischen Öffnungen sind von den Arbeiten Gordon Matta Clarks und Dan Grahams aus den 70er Jahren bishin zu den "Skulpturenprojekten in Münster" und "In Between", dem Kunstprojekt der EXPO 2000, nur schwer zu ignorieren: Installationen, Interventionen, Denkmarken, Nicht-Monumente, Zwischen-Architekturen und andere urbane Eingriffe, die offensichtlich machen, "dass Kunst und Kultur zu den ganz wichtigen Zukunftsperspektiven von Architektur und Städtebau gehören" (Vesper, ebd.).

Auch wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass es sich hier um mehr "Verbales als Reales" (Mainzer, ebd.) handelt, stimmen wir doch Herrn Vesper ausdrücklich zu, wenn er sagt: "Bildende Kunst ist die wirkliche Verbündete von allen, denen Urbanität und Stadtkultur am Herzen liegt." Im Zusammenhang mit dem geplanten Kulturzentrum am Neumarkt sind solche naheliegenden Überlegungen, die, wenn man es ernst meint, mit dem nach wie vor ausstehenden Anspruch der Urbanisierung, selbstverständlicher Bestandteil der Ausschreibungskonzeption eines Museums sein sollten, leider nicht eingeflossen.

Dass diese Chancen bei den Verantwortlichen der Stadt Köln immer noch nicht ergriffen werden, wo doch seit den 60er Jahren international bedeutende Künstler, Kuratoren, Kritiker, Galeristen und Sammler leben, die an dieser Schnittstelle arbeiten, ist nur schwer zu glauben, aber, wie wir in den letzten Wochen immer wieder feststellen mussten, offensichtlich wohl wahr.Umso notwendiger erscheint es uns, die Aufforderung an Künstlerinnen und Künstler anzunehmen, die Herr Vesper in o.g. Rede folgendermaßen formulierte: "Ich bitte die Künstlerinnen und Künstler, in den Prozess des Bauens und des Planens aktiv einzugreifen. Architektur, Städtebau und Landschaftsplanung brauchen die kulturelle Energiezufuhr. Erst durch künstlerisch paradoxe Eingriffe und Interventionen entstehen neue Sichtweisen."

Rosemarie Trockels Film "Manus Spleen", der vor dem Josef Haubrich-Forum in Köln gedreht wurde, war eine solche paradoxe Intervention. Dieser künstlerische Eingriff hatte überraschende Realitätseffekte, mit denen keiner gerechnet hat, die aber einen unverhofften Augenblick demokratischer Öffentlichkeit ausgelöst haben. Baukultur ist "ein politischer Begriff", wie auch Herr Vesper sagt (ebd.), "ein demokratisches Projekt". "Baukultur kann nicht vom Staat diktiert werden" (ebd.). Sie "muss zu einer großen Bürgerinitiative werden". Es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft des öffentlichen Raums und mit ihm um die der Demokratie.

 

Erklärung gegen den Abriss des Josef Haubrich-Forums

1) Im Sommer 2002 soll der Josef Haubrich-Forum am Kölner Neumarkt abgerissen werden. Der Kölnische Kunstverein und die ehemalige Kunsthalle sind direkt davon betroffen. Zusammen mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum sollen sie im Jahr 2006 einen neuen Gebäudekomplex beziehen, dessen architektonische Qualität, Kosten wie Nutzen höchst umstritten sind.

2) Während andernorts längst lebhafte und konstruktive Diskussionen um die Zukunft des öffentlichen Raums geführt werden, wird hier eine wertvolle, im urbanen, kulturellen Rahmen bewährte und sinnvoll nutzbare Architektur, ein offenes, bürgernahes und demokratiefreundliches Forum, zunichte gemacht.

3) Unser Protest kommt spät, aber vielleicht nicht zu spät. Wir wollen ein Debakel in städtebaulicher Hinsicht verhindern. Deshalb protestieren wir entschieden gegen die gefallene Entscheidung und fordern zugleich eine intensive Auseinandersetzung, die die Voraussetzungen schafft für ein neues Denken in Kategorien urbaner Qualität in Köln - in Zukunft.

 

Wir sind für...

...eine Neu-Überprüfung der denkmalschützenswerten Substanz und der Verhältnismäßigkeit der einzusetzenden finanziellen Mittel (Bau- und Folgekosten).

...eine Neu-Bewertung der geplanten architektonischen Maßnahmen im Vergleich zu zeitgemäßen Konzepten anderer international renommierter Architekten, die bestehende städtebauliche Substanz nach ihrer Qualität bewerten und entsprechend weiterentwickeln und integrieren.

...die Neu-Entwicklung eines sinnvollen Nutzungskonzeptes für das Josef Haubrich-Forum und eine intelligente Neu-Gestaltung seiner Möglichkeiten.

 

Wir sind gegen...

...die massive Vernachlässigung des Nachdenkens über öffentlichen Raum in Köln, der sich in der Missgestaltung vieler öffentlicher Plätze und Orte manifestiert.

 

Bernd Kniess, Kathrin Luz, Christian Nagel, Claudia Neumann, Gabriele Rivet, Sabine DuMont-Schütte, Rosemarie Trockel, Meyer Voggenreiter und...

 

...die Namen aller Unterzeichner sind unter Plakat für den Erhalt der Josef-Haubrich-Kunsthalle aufgeführt.