Initiative Haubrich-Forum too late Das Loch European Kunsthalle

Interview zur Europäischen Kunsthalle Köln im 'newsletter galerienkoeln'

April 2004. Köln soll endlich wieder eine funktionsfähige Kunsthalle bekommen. Entgegen aller Versprechungen machen die bisher verlautbarten Konzeptansätze, im neuen Kulturzentrum am Neumarkt die abgerissene Kunsthalle wieder zu etablieren, wenig Hoffnung auf eine wirklich tragfähige Lösung - gerade auch zur Präsentation von zeitgenössischer Kunst. Die Initiative Josef-Haubrich-Forum, aus der später der Verein "Das Loch" hervorging, tritt - nach einer Phase verschiedener Protestaktionen - jetzt mit einer eigenen Projektidee an: Einer Europäischen Kunsthalle Köln. Wie sich diese verortet, was ihre Inhalte sein werden, wer die Projektpartner sind und vor allem wie sie realisiert werden soll - dazu einige Mitglieder der Initiative im Gespräch.

"Das Projekt einer Europäischen Kunsthalle Köln definiert seinen urbanen Kontext und seine kulturellen Partnerschaften neu."

FRAGE: Das Loch ist mittlerweile gelabelt. Wenn man in den letzten Spiegel schaut oder die vorletzte Zeit liest, hat man den Eindruck, Köln hat zwei
Weltkulturgüter von einzigartigem Rang: den Dom und das Loch. Ist das nicht kontraproduktiv, dass am Ende das Defizit zum Aushängeschild wird? Herr Schramma hat ja mittlerweile zugegeben, dass das Loch ein Fehler war...

CHRISTIAN NAGEL: Herr Schramma hat vor kurzem im historischen Saal der Kölner Ratskammer zugegeben, dass er für das Kölner Loch Häme und Kritik aus ganz Deutschland und darüber hinaus einstecken wird. Ein Label ist noch kein Weltkulturgut, aber ein Instrument, an dem man ansetzen kann, um den Hebel in eine andere Richtung umzuleiten.

FRAGE: Sie haben die Idee einer europäischen Kunsthalle im Auge. Welchen Sinn und Zweck hat die Begrenzung auf das "Europäische" - was auch immer das sein mag - in einer globalisierten Welt? Und: Wie wird diese Kunsthalle konkret aussehen?

MEYER VOGGENREITER: Der vollständige Name des Projekts lautet "Europäische Kunsthalle Köln". Es handelt sich also nicht um eine Begrenzung im Kontext der Globalisierung, sondern um eine kulturelle Erweiterung im Kontext des Urbanen. Wir wollen damit verdeutlichen, dass sich der Bezugsrahmen, in dem eine Kunsthalle in einer Stadt heute operiert, erweitert hat, dass wir, wenn wir das Projekt Kunsthalle für Köln neu und konsequent angehen wollen, eben im Kontext einer europäischen Kultur und dem Prozess ihrer Selbstbestimmung agieren müssen. Dies umso mehr vor dem Hintergrund der neueren Erweiterung des Horizonts nach Osten. Uns ist ja tatsächlich ein neuer Horizont, die andere Seite des Kompass, geschenkt worden. Natürlich ist die projektierte Namensgebung insofern programmatisch, als wir die Netzwerkpartner einer neuen Kunsthalle in Europa sehen, Europa als eine vielgestaltiger Lokalität, die der Globalisierung etwas Heterogenes entgegensetzt. Widerständig, experimentell, auch zerstritten - das ist Teil unserer Möglichkeiten. Und schließlich werden wir lebensfähige Antworten auf die Fragen der Konstitution, der Praktiken und der Selbstbehauptung zeitgenössisch orientierter kultureller Institutionen nur im europäischen Kontext finden können. Auch ein Effekt der Globalisierung: Es gibt keine Insellösungen mehr.

FRAGE: Angesichts der gegenwärtigen Situation in Köln: Wie wird diese Kunsthalle konkret aussehen?

LILIAN HABERER: Nun, diese Frage steht im Raum und das ist Teil unserer Absicht: diese Frage öffentlichkeitswirksam zu machen. Es ist bereits Teil des Diskurses innerhalb der Kunstszene, dass neue institutionelle Modelle heute weniger an einen Ort oder an eine Architektur gebunden sein müssen als vielmehr an eine klare, arbeitsfähige Struktur. Aber die Entwicklung von Perspektiven für eine Kunsthalle hier in Köln wird die Aufgabe einer Gründungsdirektorin oder Direktors sein, die oder den wir noch dieses Jahr ausloben und berufen wollen. Selbstverständlich ist die Ausgangslage paradox. Das Loch e.V. ist weder kommunalpolitisch autorisiert noch gibt es einen konkreten Ort für eine Kunsthalle. Da ist nur das Loch und ein Verein und ein Begehren, das an diesem Nichtort sein Feldlager aufgeschlagen hat. Positiv ausgedrückt: Unsere Gründungsdirektorin kann ohne jeden Ballast, ohne Vor- und Wiedergänger bei Null starten, um in Absprache mit dem Gründungsrat ein machbares und zukunftsfähiges Modell zu entwickeln. Eigentlich eine ideale Situation.

FRAGE: Wie wird der Apparat, wie die finanzielle Basis dieses Projektes aussehen? Wie verhält es sich zum entstehenden Kulturzentrum am Neumarkt - sollte es denn tatsächlich entstehen...

MEYER VOGGENREITER: Wir denken pragmatisch in Etappen. Aktuell reichen die finanziellen Mittel des Vereins, unter anderem aus Spenden und Kunstverkäufen, um das Thema Europäische Kunsthalle Köln mit einem Gründungsrat inhaltlich zu besetzen, ein internationales Findungsverfahren für die Gründungsdirektion durchzuführen und qualifizierte Maßnahmen zur Einwerbung von Geldern für die zweite Etappe einzuleiten. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal allen Mitgliedern, Förderern und Freunden danken, die dies möglich gemacht haben. In der zweiten Etappe wollen wir dann eine Gründungsphase der Kunsthalle von zwei Jahren absichern können. Dafür prüfen wir zur Zeit unterschiedliche Möglichkeiten, an Fördermittel auf Bundes- und europäischer Ebene zu kommen. Außerdem rechnen wir kurzfristig mit der Unterstützung des Projekts durch Kölner Galerien. Die Form ist noch in der Diskussion. Diese zweijährige Gründungsphase wird temporäre Formen einer Europäischen Kunsthalle Köln realisieren, wie genau, das wird Angelegenheit der Gründungsdirektorin sein. Das Kulturzentrum am Neumarkt ist für uns in diesem Kontext kein Thema, es ist nur ein Phantom. Und wenn es denn realisiert werden sollte: Ein weiterer Stein in der Kette städtebaulicher Fehlentscheidungen, mehr nicht. Zur weiteren Effizienzsteigerung empfehlen wir, den Kammermusiksaal als Drive-In zu planen. Dann wird doch noch was aus der Tiefgarage. Nein ernsthaft, wir haben verstanden, dass es in der Verwaltung keinen Willen für eine Kunsthalle mit eigenständigem, zeitgenössischem Profil gibt. Also werden wir unser Projekt unabhängig von der weiteren Entwicklung um das Kulturzentrum vorantreiben. Unsere Bezugsgröße am Neumarkt und in der Kölner Kulturpolitik bleibt das Loch - das Projekt der Europäischen Kunsthalle Köln ist im besten Sinne frei davon, es definiert seinen urbanen Kontext und seine kulturellen Partnerschaften neu.

FRAGE: Von der verneinenden Kraft zum konstruktiven Dialogpartner im Zeichen von 2010: Mit der Idee einer europäischen Kunsthalle - so scheint es - machen Sie wieder einmal die Arbeit der anderen. Die anderen - das sind die städtischen Kulturpolitiker, denen es offenbar immer noch an Konzepten fehlt. Ist die Zeit gekommen für Kooperation - als Notlösung oder als
logische Konsequenz?

CHRISTIAN NAGEL: Arbeitet man professionell in der Kultur so bleibt einem letzt endlich nichts anderes übrig, als sich mit den Politikern auf Stadt-, Land- und Bundesebene auseinander zusetzten. Ich habe überhaupt kein Problem diesen Arbeit abzunehmen, da wir in allen anderen Bereichen auch in der Kultur die Profis mehr wissen als die Politiker.

BERND KNIESS: Das ist überhaupt so ein naheliegendes Missverständnis mit der verneinenden Kraft. Wir waren ja nicht nur gegen den Abriss, sondern folgerichtig auch für den Erhalt des Haubrich-Forums und seiner Wiederbelebung und Weiterentwicklung als urbanes und kulturelles Zentrum. Unsere Gesprächsangebote an die Stadt waren in jeder Phase des Einspruchs konstruktiv, sie wurden nur nicht genutzt. Nach dem Desaster haben wir aus dem frischen Loch schnell einen positiven Ort der Auseinandersetzung gemacht und in dem Heft "2010" nicht nur einen alternativen Ansatz zur Stadtentwicklung für das gesamte Areal ums Loch vorgestellt, sondern uns insbesondere mit den Möglichkeiten zukünftiger Kulturpolitik und ihrer Finanzierbarkeit auseinandergesetzt. Alternativ in dem Sinn, dass wir versucht haben neue, virulente Bezugsgrößen sichtbar zu machen, die heute im Kontext europäischer Stadtentwicklung diskutiert werden. Auch hier keine Antwort seitens der Stadt. Wir haben mit unterschiedlichen, auch ironischen Aktionen weitergemacht, unter anderem mit Ingold Airlines einen Hubschrauberlandeplatz für Investoren im Loch installiert. Heute ist das Loch ein international eingeführtes Label für Köln, so überhöht, dass selbst die Stadtpolitik es nun positiv besetzen kann, ja es im Endspurt zur Bewerbung für die Kulturhauptstadt geradezu umarmt. Es bleibt also nicht aus, dass man, wenn man sich einmischt und etwas tut, auch immer ein Stück weit die Arbeit der anderen macht. Tatsächlich, das ist die Stimmung bei vielen in der Kunstszene: Lasst sie doch den Karren vor die Wand fahren. Im Zweifelsfall ist es also immer mehr als eine Seite, die dich als naiv bezeichnet, wenn du aktiv wirst. Wir machen uns hier keine Illusionen und nehmen solche Effekte in Kauf. Denn dann und wann machen ja ebenso unwillentlich die anderen einen Teil unserer Arbeit. Wir sehen hier durchaus noch Spielebenen, auf denen wir das Politische herausfordern, die Rollenzuweisungen verwirren und den einen oder anderen Schritt auf dem Weg von der Arbeit zum Projekt gehen können. Das allerdings ist die Grundvoraussetzung.

FRAGE: Wie verorten Sie nach all den gemachten Erfahrungen ihre Aktivitäten heute im städtischen (kulturpolitischen) Kontext? Gibt es (noch) Hoffnung für Köln?

ROSEMARIE TROCKEL: Im Rückblick betrachtet ist unsere Aktivität nicht einheitlich, sondern eher als heterogene Kraft auf mehreren Ebenen zu sehen: So gab es nach Rückschlägen erstaunlicherweise immer wieder einen neuen Impuls für aktivistische Situationen, für Konfrontationen sowie Gespräche mit den Politikern und eben auch für eine inhaltliche Reflexion darüber, wie die Situation am Neumarkt städtebaulich strukturell und kulturpolitisch größer gefasst werden kann. Es ging also von vornherein darum, dem pragmatischen Bauloch-Füllungs-Gedanken eine andere Denkweise entgegenzustellen und die Diskussionen mit grundsätzlichen Überlegungen zu einer anderen kulturellen und städtebaulichen Struktur konstruktiv zu erweitern. Mittlerweile hat sich also unsere Energie von der Überzeugungsarbeit auf grundsätzliche Fragen für den möglichen Rahmen einer europäischen Kunsthalle und wie dieses Modell für Köln zu realisieren ist, verlagert. Solange hier noch eigenständige und vielfältige Kräfte wirken, die die Kulturlandschaft prägen, gibt es sicherlich noch Hoffnung für Köln.