Initiative Haubrich-Forum too late Das Loch European Kunsthalle |
Das Loch e.V. Deklaration zur Lage der politischen Kultur in Köln11.05.2003. Entwurf einer Deklaration zur Lage der politischen Kultur in Köln. Vorgebracht von Meyer Voggenreiter anlässlich der Gründungsversammlung des "Loch e.V.". |
"Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist garnicht abzuhelfen." Immanuel KantSeit November 2002 klafft in der Mitte Kölns, dort, wo vormals das Josef-Haubrich-Forum stand, ein absurdes Loch. Die Umstände, die dazu geführt haben, sind beschämend für die Politik dieser Stadt, ja sie erscheinen symptomatisch angesichts einer kopflos über betroffene Köpfe hinweg geführten Debatte zu Sparmassnahmen in den kulturellen, also existentiellen Bereichen des städtischen Lebens. Es ist nicht die Notwendigkeit zum Sparen in harten Zeiten, die die Kulturschaffenden Kölns beunruhigt, nämlich die Direktoren und Mitarbeiter der Museen und Bühnen, die bildenden und darstellenden Künstler, die Musiker und Gestalter, die Lehrenden und Studierenden an den Hochschulen, die Galeristen und Sammler, die Museums-, Konzert- und Theaterbesucher. Vielmehr zeigen die Verantwortlichen der Politik und Verwaltung im leichtfertigen Umgang mit den kulturellen Ressourcen, Werten und Kompetenzen, dass es die politische Kultur selbst ist, die in Köln am Boden liegt. Das Bewusstsein und die Pflege der eigenen, politischen Kultur sind aber zentrale Voraussetzungen für alle kulturelle Produzenten, die in dieser Stadt leben, arbeiten und wirken wollen. Als eine sich offen und frei formierende Gruppe Kulturschaffender in Köln verfassen wir diese "Deklaration zur politischen Kultur in Köln". Wir erheben keinen Vertretungsanspruch. Wir sprechen für uns und aus unserer Betroffenheit. Wir sprechen mit der Kompetenz, einen Ausbruch der Politik ins "Ummögliche" zu befördern und den Widersprüchlichkeiten mit Kenntnis zu begegnen. Was wir erreichen wollen, ist nicht weniger als ein Ende des Sparens in den Köpfen und ein offenes Denken in Möglichkeiten.
Deklaration zur politischen Kultur in KölnWir sind Bürger Kölns und tragen als Kulturschaffende tätige Mitverantwortung für das Leben in dieser Stadt und seinen Reichtum. Mit unserer Arbeit setzen wir uns für die existenziellen Qualitäten des Öffentlichen und des Einzelnen ein. Aus ihnen, aus ihrer Vielfalt, Differenz und Singularität, bildet sich die Kultur unserer Stadt. Wir sind betroffen von einem dramatischen Niedergang der kulturellen Vielfalt und der politischen Kultur in Köln, der es täglich schwieriger macht, uns mit unseren Ideen, unseren Erfahrungen und unserer Leidenschaft für diese Stadt zu engagieren. Kulturelle Arbeit fordert von uns selbst Offenheit für die heterogenen Bedingungen und Äusserungen des Lebens, für die sprunghaften Interventionen von Qualitäten und die damit verbundenen Notwendigkeiten und Chancen, Neues wahrzunehmen, zu denken und zu erproben. Wir wissen uns darin kompetent, komplexe Prozesse zugänglich zu machen, Widersprüche zu erörtern und isolierte Aspekte miteinander zu verknüpfen. Es ist jedoch nicht unsere Aufgabe, Antworten oder gar Rezepte zu geben. Wir sind auf der Suche nach tragfähigen Lösungen. Wir werden sie jedoch nicht finden ohne die Bereitschaft von Politik und Verwaltung zu einer Innovation der politischen Kultur. Wir fordern die Verantwortlichen der Stadt auf, das selbstzerstörerische Vakuum zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft zu beenden. Mit Parteiräson im Kopf und Amtsmeinung im Mund lässt sich nicht reden und nichts bewegen. Als Betroffene haben wir Anspruch auf eine Kultur der Offenheit in der Kommunikation, die Bereitschaft zur Information, die Fähigkeit zum inhaltlichen Dialog und zum solidarisch geführten Streit über zukunftsfähige Konzepte für Kultur in Köln. Dafür brauchen wir transparente Strategien und qualitative Verfahren in den substanziellen Entscheidungsprozessen der Stadt. Wir brauchen die Überwindung formalistischer Prinzipien und die Zulassung anderer, informeller Möglichkeiten der - auch paradoxen - Intervention und Teilhabe von bürgerschaftlichen, sachverständigen und internationalen Kompetenzen. Köln kann sich den Luxus seiner "Denkpause" nicht länger leisten. Notwendig ist vielmehr die Courage, sich den Tatsachen eines Scheiterns verständig zu stellen und so alternative Möglichkeiten und innovative Konzepte für die anstehenden Aufgaben denk- und verhandelbar werden zu lassen. Wir plädieren hier und jetzt für die ungewöhnliche Chance, das Loch Kölns grösser und grosszügig zu denken: als Herausforderung und Möglichkeit, das Vermögen zur politischen Kultur, zum Dialog und zur Kompetenz in Köln neu zu begründen. Köln, im Loch am 11. Mai 2003 |